Direkt zum Inhalt

NRW: Kommissionsempfehlungen für besseren Gewaltschutz in der Eingliederungshilfe umfassend umsetzen

11.01.2022

Als Konsequenz aus den mutmaßlichen gewalttätigen Übergriffen in den Einrichtungen der Diakonischen Stiftung Wittekindshof im ostwestfälischen Bad Oeynhausen empfiehlt eine Expert*innenkommission Reformen bei Leistungen der Eingliederungshilfe. Im Februar 2021 hatte Nordrhein-Westfalens Gesundheits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann zur Beratung der Landesregierung das Gremium „Herausforderndes Verhalten und Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe“ einberufen. Dieses hat dem Minister am 15. Dezember 2021 seinen Abschlussbericht mit entsprechenden Maßnahmenvorschlägen überreicht.

Der Bericht enthält eine Reihe von Handlungsempfehlungen, um die Gestaltung von Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit sogenannten besonders herausforderndem Verhalten zu verbessern. Sie empfiehlt unter anderem,

  • die Träger*innen der Eingliederungshilfe durch neue Regelungen im Wohn- und Teilhabegesetz zu mehr Gewaltschutz zu verpflichten und diese Regelungen wirksam von dazu qualifizierten und geschulten Aufsichtsbehörden überwachen zu lassen,
  • eine landeszentrale Monitoring- und Beschwerdestelle zur Gewaltprävention einzurichten,
  • Konsulentendienste als regionale Beratungs- und Kompetenznetzwerke zur Betreuung von Menschen mit besonders herausfordernden Verhalten aufzubauen,
  • die Akteur*innen im Betreuungsrecht zu qualifizieren und besser miteinander zu vernetzen,
  • die gesundheitliche Versorgung zu verbessern,
  • geeignete Angebotsstrukturen für Menschen mit besonders herausforderndem Verhalten in den Regelstrukturen der Eingliederungshilfe zu schaffen sowie
  • eine regionale Strukturplanung zum Ausbau amulanter Regelangebote vorzunehmen.

Nun sollten die jeweils zuständigen Akteur*innen die Handlungsempfehlungen entschlossen umsetzen. Die Kommission schlägt dazu eine Gesamtstrategie zum Gewaltschutz in der Eingliederungshilfe vor, der zugrunde liegt, Menschen mit Behinderungen konsequent als Rechtsträger*innen zu begreifen und Angebote grundsätzlich auf die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens und dem Schutz der Würde und der Rechte der Bewohner*innen auszurichten.
 

Menschenrechtlicher Fokus
Die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, die mit Gaststatus der Kommission angehörte, zeigt sich zufrieden mit dem Ergebnis der Beratungen, insbesondere der Einordnung der Geschehnisse und Entwicklung der Maßnahmenvorschlägen vor dem Hintergrund der Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).
Der Bericht stellt unmissverständlich darauf ab, dass behinderte Menschen wie jeder andere Mensch das Recht auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben haben. Die UN-BRK verpflichtet staatliche Akteur*innen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Gewalt und Missbrauch, vor Eingriffen in ihre persönliche Freiheit und ihre körperliche und seelische Unversehrtheit (Artikel 14, 16 und 17 UN-BRK). Dazu gehört, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund intellektueller, psychischer oder mehrfacher Beeinträchtigungen freiheitsentziehenden Maßnahmen ausgesetzt sein dürfen. Um diesen Schutzauftrag in der Ausführung der Leistungen der Eingliederungshilfe sicherzustellen, macht der Bericht unter anderem Vorschläge zu wirksamen Überwachung von Gewaltschutzvorkehrungen.
 

Weitere Aufarbeitung

Minister Laumann kündigte die intensive Diskussion des Berichts an. Dazu werde es Gespräche im Landtag, mit den Verbänden der Leistungsträger*innen und Leistungserbringer*innen und vor allem mit den betroffenen Menschen selbst, ihren Angehörigen und Interessenverbänden geben. Ein Teil der Vorschlägen der Kommission zur Verbesserung der Aufsicht sei bereits in dem von der Landesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes sowie des Ausführungsgesetzes zum Neunten Buch Sozialgesetzbuch eingeflossen.

Parallel dazu läuft die strafrechtliche Aufarbeitung der Vorkommnisse weiter. Wegen der Vorfälle in der Stiftung Wittekindshof hatte die Staatsanwaltschaft Bielefeld Anfang 2021 Ermittlungen gegen 145 Beschuldigte wegen Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. Bei den freiheitsentziehenden Zwangsmaßnahmen soll es sich unter anderem um Gruppen- oder Zimmerverschluss sowie Fixierungen von Menschen mit Behinderungen gehandelt haben, ohne dass ein richterlicher Beschluss vorgelegen haben soll.

 

WEITERE INFORMATIONEN

Abschlussbericht der Expertenkommission „Herausforderndes Verhalten und Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe“

Monitoring-Stelle NRW